Wasserfreie Titration

Eine wasserfreie Titration ist eine Säure-Base-Titration, die statt in wässriger Lösung in wasserfreier Essigsäure durchgeführt wird. Wasserfreie Titrationen ermöglichen die Titration einiger schwach basischer Substanzen, ohne dass ein Kjeldahl-Aufschluss erforderlich ist.

Beispiele für wasserfreie Titrationen sind die Analysen von Nicotinamid, Fenbendazol und Pantoprazol.

Grundlagen der wasserfreien Titration

Sehr schwach basische Analyte wie tertiäre Amine, deren pKB-Werte zu nah am pKB-Wert von Wasser liegen, können in wässriger Lösung titrimetrisch nicht bestimmt werden, da es zu einer Konkurrenzsituation um die zugeführten Protonen kommt.

Stattdessen können solche Analysen aber in wasserfreier Essigsäure durchgeführt werden, wobei meistens eine 0,1 molare Lösung von Perchlorsäure in wasserfreier Essigsäure als Maßlösung verwendet wird. Diese Mischung hat allerdings den Nachteil, dass sie leicht entzündlich ist.

Reste von Wasser können durch die Zugabe einer kleinen Menge Acetanhydrid umgesetzt werden.

Wenn tertiäre Amine in wasserfreier Essigsäure aufgelöst werden, stellt sich das folgende Reaktionsgleichgewicht ein, in dem die Amine zum Teil protoniert vorliegen:

R3N + CH3COOH ↔ R3NH+ + CH3COO

Beim Lösen von Perchlorsäure in wasserfreier Essigsäure wird die Essigsäure protoniert und die Perchlorsäure nahezu vollständig dissoziiert:

HClO4 + CH3COOH ↔ ClO4 + CH3COOH2+

Darüber hinaus stellt sich für die Essigsäure ein Autoprotolysegleichgewicht ein:

2 CH3COOH ↔ CH3COOH2+ + CH3COO

In reiner Essigsäure liegt dieses Gleichgewicht praktisch vollständig auf der linken Seite, bei der Titration mit Perchlorsäure in wasserfreier Essigsäure kommt es dagegen zu einer Reaktion des Acetacidiums mit dem Acetat in der vorgelegten Lösung.

Da das tertiäre Amin kontinuierlich reagiert, wird das Acetat während der Titration sukzessive nachgebildet. Der Äquivalenzpunkt der Titration zeigt sich durch eine sprunghafte Abnahme des pH-Werts, die durch einen pH-Indikator erkannt werden kann. Alternativ kann eine potentiometrische Titration mit einer pH-Elektrode durchgeführt werden. Dazu kann man auch einen Titrator verwenden.

Wasserfreie Titrationen in der pharmazeutischen Analytik

Bei den in der Arzneibuchanalytik zunehmend verwendeten potentiometrischen Titrationen stellen Säure-Base-Titrationen in nichtwässrigen Lösungen das Hauptanwendungsgebiet dar.

Zahlreiche Aminosäuren, Amine, heterocyclische Stickstoffverbindungen und Salze werden in wasserfreier Essigsäure oder in Gemischen aus wasserfreier Essigsäure und weiteren Lösungsmitteln mit Perchlorsäure als Maßlösung titriert.

Bei den relevanten Monoaminomonocarbonsäuren erfolgt eine Protonierung der Carboxylatgruppe, bei relevanten Salzen werden dagegen die Anionen und eventuell weitere vorhandene basische Funktionen protoniert. Eine Erfassung von Chlorid findet unter den vorgegebenen Bedingungen nicht statt. Falls monocyclische oder bicyclische Stickstoffheterocyclen titriert werden, kommt es üblicherweise zu einer Reaktion am Iminstickstoff.

Beispiele für Monographien/Stoffe, die durch potentiometrische Titrationen gemäß Arzneibuch (Stand: Ph.Eur. 7.4) mit Perchlorsäure als Maßlösung in nichtwässriger Lösung bestimmt werden, sind:

  • Aminosäuren wie Asparagin, Glutamin und Glycin
  • Amine und Hydrazine wie Atropin, Lidocain und Carbidopa
  • Pteridinderivate
  • Purinderivate
  • Pyridinderivate
  • Pyrimidinderivate
  • Imidazolderivate
  • Chinazolinderivate
  • Benzodiazepine
  • Nitrate wie Econazolnitrat, Methylatropiniumnitrat und Pilocarpinnitrat
  • Phosphate wie Chloroquinphosphat und Primaquinbisdihydrogenphosphat
  • Sulfate wie Atropinsulfat, Chloroquinsulfat und Morphinsulfat
  • Natriumverbindungen wie Diclofenac-Natrium und Saccharin-Natrium
  • Kaliumverbindungen wie Acesulfam-Kalium
  • Aspartate wie Kaliumhydrogenaspartat und Ornithinaspartat
  • Benzoate wie Metronidazolbenzoat
  • Maleate wie Ergometrinmaleat, Timololmaleat und Chlorphenaminmaleat
  • Ammoniumglycyrrhizat
  • Clebopridmalat
  • Cisapridtartrat
  • Clemastinfumarat
  • Clomifencitrat
  • Dihydrocodeinhydrogentartrat
  • Erythromycinstearat
  • Flecainidacetat
  • Natriumsalicylat
  • Natriumvalproat
  • Physostigminsalicylat
  • Calciumpanthothenat
  • Doxylaminhydrogensuccinat
  • Metoprololtatrat
  • Ergotamintartrat
  • Formoterolfumarat
  • Chlorhexidindiacetat
  • Chlorhexidindigluconat

Um schwächere Basen zu analysieren, kann die Titration auch in einem Gemisch aus Acetanhydrid und Lösungsmitteln wie Ameisensäure oder Essigsäure erfolgen. Die Funktion des Acetanhydrids besteht dabei unter anderem darin, Wasser zu entfernen. Alternativ kann auch nur Acetanhydrid als Lösungsmittel verwendet werden.

Beispiele für Monographien/Stoffe, die durch potentiometrische Titrationen gemäß Arzneibuch (Stand: Ph.Eur. 7.4) mit Perchlorsäure als Maßlösung in wasserfreier Lösung unter Zugabe von Acetanhydrid bestimmt werden, sind:

  • Hydrochloride wie Selegilinhydrochlorid, Cyclizinhydrochlorid und Alfuzosinhydrochlorid
  • Bromide wie Neostigminbromid und Pyridostigminbromid
  • Andere Salze wie Bromocriptinmesilat, Deptropincitrat und Physostigminsulfat
  • Benzodiazepine wie Clonazepam, Flunitrazepam und Lorazepam
  • Purine
  • Purindione
  • Pyrazinderivate
  • Pyridinderivate
  • Pyrimidinderivate
  • Xanthinderivate

In vielen Fällen lässt das Arzneibuch darüber hinaus alkalimetrische Analysen von Säuren potentiometrisch indizieren. Neben Natronlauge wird dabei als Maßlösung auch Tetrabutylammoniumhydroxid-Lösung (TBAH-Lösung) verwendet.

Beispiele für Monographien/Stoffe, die durch potentiometrische Titrationen gemäß Arzneibuch (Stand: Ph.Eur. 7.4) mit Tetrabutylammoniumhydroxid- oder Alkalialkanolat-Maßlösungen in nichtwässrigen Lösungen bestimmt werden, sind:

  • Carbonsäuren und Phenole wie Oxolinsäure und Hymecromon
  • Kationsäuren
  • Carbonsäureamide
  • Pyrimidinderivate
  • Purinderivate
  • Sulfonamide
  • Alkalialkanolate

Weiterführende Quellen

Jander, G. / Jahr, K. F. (2017): Maßanalyse – Titrationen mit chemischen und physikalischen Indikationen, 19. Auflage, Berlin / Boston

Rücker, G. / Neugebauer, M. / Willems, G. (2013): Instrumentelle pharmazeutische Analytik, 5. Auflage, Stuttgart