Karl-Fischer-Titration

Die  Karl-Fischer-Titration ist eine Titration zur Bestimmung des Wassergehalts und kann für diverse flüssige oder feste Proben verwendet werden.

Genauer gesagt handelt es sich um eine Redoxtitration, die auch als KF-Titration, Karl-Fischer-Analyse, Karl-Fischer-Verfahren, Karl-Fischer-Methode, Karl-Fischer-Wasserbestimmung  oder Wasserbestimmung nach Karl Fischer bezeichnet wird.

Die Karl-Fischer-Titration wurde vom Petrochemiker Karl Fischer entwickelt und wird in modernen Laboren mit einem Karl-Fischer-Titrator durchgeführt.

Bestimmung des Wassergehalts

Wasser kann die Qualität zahlreicher Produkte beeinträchtigen und ist daher häufig unerwünscht. Beispielsweise kann es die Wirkung von Pharmazeutika verändern, die Haltbarkeit von Nahrungsmitteln reduzieren und zu minderwertigen Kunststoffprodukten führen.

Folglich ist es in vielen Produktionsprozessen sowie in der Qualitätskontrolle zahlreicher Produkte erforderlich, den Wassergehalt zu bestimmen.

Methoden zur Wasserbestimmung

Wasserbestimmungen, also Bestimmungen des Wassergehalts von Substanzen, gehören zu den weltweit am häufigsten durchgeführten chemischen Analysen und können mit vielen verschiedenen Methoden durchgeführt werden.

Eine klassische Methode, die heutzutage weniger relevant ist, ist die Calciumcarbid-Methode, bei der ein Äquivalent Calciumcarbid mit zwei Äquivalenten Wasser reagiert:

CaC2 + 2 H2O → Ca(OH)2 + H2C2

Aus der Menge des freigesetzten Ethins lässt sich anschließend die Menge des in einer Probe enthaltenen Wassers berechnen. Nachteile der Methode sind die Explosivität von Ethin und der hohe Aufwand bei der Durchführung.

Eine weitere historische Methode, die insbesondere in der Ölindustrie von Bedeutung war, ist die Verwendung einer Dean-Stark-Apparatur. Diese ermöglicht eine azeotrope Destillation, mit der die Wasserphase von der organischen Phase abgetrennt und gemessen werden kann. Nachteile der Methode sind deren Zeitaufwand, mangelnde Genauigkeit sowie ein hoher Chemikalienverbrauch.       

Zu den modernen Methoden der Wasserbestimmung zählen Verfahren, die auf IR- oder NMR-Spektroskopie basieren sowie die Gaschromatographie. Diese Methoden sind aufgrund des erheblichen apparativen Aufwands allerdings weniger verbreitet als die beiden Standardmethoden, die gravimetrische Bestimmung des Trocknungsverlusts sowie die Karl-Fischer-Titration.

Die gravimetrische Bestimmung des Trocknungsverlusts erfolgt klassisch, indem eine Probe in einem Tiegel eingewogen und bei 120 °C in einem Trockenschrank getrocknet wird. Anschließend lässt sich aus dem Gewichtsverlust der abgekühlten Probe der Wassergehalt berechnen. Alternativ kann für das Verfahren auch ein Feuchtebestimmer verwendet werden.   

Zwar gilt die thermogravimetrische Methode oftmals als Standard, allerdings weist sie zwei wesentliche Nachteile auf: zum einen kann die Analyse bei Verwendung eines Trockenofens unter Umständen sehr lange dauern, zum anderen muss der Gewichtsverlust der Probe nicht zwingend aus einer Abgabe von Wasser resultieren, sondern kann auch durch ein Verdampfen anderer flüchtiger Komponenten oder eine Zersetzung der Probe verursacht werden.

Vorteile der Karl-Fischer-Titration

Dagegen hat die Wasserbestimmung mittels Karl-Fischer-Titration eine Reihe von Vorteilen:

  • Hohe Selektivität für Wasser
  • Breiter Messbereich von 1 ppm bis 100%
  • Vergleichsweise hohe Geschwindigkeit der Analysen
  • Genauigkeit und Wiederholbarkeit der Bestimmungen
  • Es wird keine Referenzmethode benötigt

Grundlagen und Prinzip der Karl-Fischer-Titration

Die Karl-Fischer-Titration wurde vom deutschen Petrochemiker Karl Fischer entwickelt und 1935 mit der Publikation „Neues Verfahren zur maßanalytischen Bestimmung des Wassergehalts in Flüssigkeiten und festen Körpern“ erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Als chemische Grundlage seiner Reaktion diente Karl Fischer die schon im 19. Jahrhundert bekannte Bunsen-Reaktion zur Bestimmung von Schwefeldioxid in wässriger Lösung:

2 H2O + SO2 + I2 → H2SO4 + 2 HI

Mit einem Überschuss an Schwefeldioxid und einer organischen Base zur Neutralisation der entstehenden Schwefelsäure lässt sich mit dieser Reaktion auch Wasser bestimmen, sodass Karl Fischer eine Lösung von Iod und Schwefeldioxid in einem Pyridin/Methanol-Gemisch verwendete – das Karl-Fischer-Reagenz.

Für seine Reaktion formulierte Karl Fischer die folgende Gleichung:

2 H2O + SO2 ∙ (C5H5N)2 + I2 + 2 C5H5N → (C5H5N)2 ∙H2SO4 + 2 C5H5N ∙ HI

Es ist nicht bekannt, ob er diese Gleichung überprüft oder auf Basis der Bunsen-Reaktion einfach formuliert hat, allerdings haben spätere Untersuchungen ergeben, dass die Gleichung so nicht korrekt ist.

Reaktionsgleichung der Karl-Fischer-Titration

Aus der von Karl Fischer postulierten Reaktionsgleichung lässt sich ein Molverhältnis H2O : I2 : SO2 : Pyridin (Py) = 2 : 1 : 1 : 4 ableiten, das von Smith, Bryant und Mitchell bereits 1939 widerlegt wurde.

Stattdessen ermittelten sie ein Molverhältnis von H2O : I2 : SO2 : Py : CH3OH  = 1 : 1 : 1 : 3 : 1 und stellten dabei zugleich fest, dass Methanol nicht nur Lösungsmittel ist, sondern auch Reaktionspartner. Somit ergaben sich die folgen Reaktionsgleichungen:

I2 + SO2 + 3 Py + H2O → 2 Py ∙ HI + Py ∙ SO3

Py ∙ SO3 + CH3OH → Py ∙ HSO4CH3 

Diese Gleichungen wurden später noch wie folgt modifiziert:

H2O + Py ∙ I2 + Py ∙ SO2 + Py + CH3OH → 2 Py ∙ HI + Py ∙ SO3

Py ∙ SO3 + CH3OH → Py ∙ HSO4CH3 

Mit dem Ziel, Karl-Fischer-Reagenzien ohne das gesundheitsschädliche, leicht verdampfende und sehr unangenehm riechende Pyridin zu entwickeln, begann in den 1980er Jahren dann eine Arbeitsgruppe um Eugen Scholz erneut mit Forschungen zur Karl-Fischer-Titration und stellte dabei fest, dass die Reaktion in zwei Schritten abläuft.

Bereits im Reagenz bildet sich aus Schwefeldioxid und dem als Lösungsmittel verwendeten Alkohol ein Sulfit, das dann im zweiten Schritt mit Iod und Wasser zum Sulfat reagiert:

ROH + SO2 + R‘N → [R’NH]SO3R      

H2O + I2 + [R’NH]SO3R + 2 R‘N → [R’NH]SO4R + 2 [R’NH]I 

Diese Reaktionsgleichung ist bis heute gültig, wobei ROH nach Scholz ein „reaktiver“ Alkohol und R’N eine „geeignete“ Base ist.

Einfluss des Lösungsmittels und des Wassergehalts auf die Karl-Fischer-Titration

Neben Lösungen auf Basis von Methanol finden sich in der Literatur aus dem letzten Jahrhundert auch nichtalkoholische Reagenzlösungen, die beispielsweise Benzol oder Dimethylformamid als Lösungsmittel verwenden.

Während die Reaktion zwischen Iod und Wasser in alkoholischen Lösungen im stöchiometrischen Verhältnis 1:1 abläuft, findet sich in nichtalkoholischen Lösungen ein abweichendes stöchiometrisches Verhältnis.

Statt dem üblicherweise verwendeten Methanol können prinzipiell auch andere Alkohole wie z.B. Ethanol oder Isopropanol verwendet werden. Außerdem konnte auch ein Einfluss des Wassergehaltes auf die Stöchiometrie nachgewiesen werden.

pH-Abhängigkeit der Karl-Fischer-Titration

Wie Verhoef und Barendrecht 1976 festgestellt haben, hängt die Reaktionskonstante K bei der Karl-Fischer-Titration vom pH-Wert der Lösung ab.

So verläuft die Reaktion bei niedrigen pH-Werten zunächst nur langsam: bis pH 5 kann ein linearer Anstieg von log K mit dem pH-Wert beobachtet werden. Darauf folgt zwischen pH 5,5 und 8 ein Bereich mit einer konstanten Reaktionsgeschwindigkeit von log K = 3,12 und über pH 8 ein weiterer Anstieg der Reaktionsgeschwindigkeit, der vermutlich durch eine Nebenreaktion verursacht wird.

Bei der Suche nach Basen, die den pH-Wert im gewünschten Bereich zwischen pH 5,5 und 8 halten, stellten sich Imidazol und Diethanolamin als vielversprechende Kandidaten heraus, sodass im Jahr 1980 erstmals Reagenzien ohne Pyridin angeboten werden konnten.

Später hat sich gezeigt, dass eine Mischung aus 2-Methylimidazol und Imidazol zu einer höheren Lagerstabilität führt und nicht gewünschte Kristallisationen verhindert werden können.

Durchführung von Karl-Fischer-Titrationen

Prinzipiell erfolgt eine Titration, indem Proben mit einem unbekannten Gehalt einer Substanz mit einer volumetrischen Maßlösung titriert werden. Dazu ist es erforderlich, den Titer der Maßlösung zu bestimmen, der bei Karl-Fischer-Titrationen typischerweise als Wasseräquivalent angegeben wird.

Beispielsweise bedeutet ein Wert von 5 mg/mL, dass ein Milliliter Maßlösung 5 mg Wasser umsetzt. Dieser Wert weicht stets deutlich von dem Wert ab, der sich aus dem eingesetzten Iod berechnen lässt, da bei der Karl-Fischer-Reaktion nicht nur die übliche Ungenauigkeit beim Einwägen zum Tragen kommen, sondern auch die überall enthaltene Feuchte.

Endpunkterkennung bei der Karl-Fischer-Titration

Zur Endpunkterkennung einer Säure-Base-Titration werden klassischerweise pH-Indikatoren verwendet, die den Endpunkt durch einen deutlich sichtbaren Farbumschlag anzeigen. Dieses Prinzip funktioniert bei der Karl-Fischer-Titration allerdings nicht, da beim Vorliegen freien Iods lediglich ein schwer erkennbarer Umschlag von gelb zu hellbraun erfolgt.

Stattdessen kann man den Umstand, dass die Karl-Fischer-Reaktion eine Redoxreaktion ist, nutzen und zur Endpunkterkennung eine Doppelplatinelektrode verwenden.

Wenn man an diese Elektrode einen konstanten Strom anlegt und das für dessen Aufrechterhaltung erforderliche Potential misst, stellt man ein erhebliches Absinken des Potentials fest, sobald Iod und Iodid gleichzeitig in der Lösung vorhanden sind. Dieses Absinken kann folglich als Indikation für den Endpunkt der Karl-Fischer-Titration verwendet werden.

Geräte für die Karl-Fischer-Titration

Statt einer klassischen Glasbürette werden für die Karl-Fischer-Titration heutzutage meist Karl-Fischer-Titratoren mit Kolbenbüretten verwendet.

Moderne Titratoren geben bis zum Endpunkt automatisch Reagenzlösung zu, beenden dann die Reaktion und berechnen aus der zuvor eingegebenen Probenmenge den jeweiligen Wassergehalt.

Die Probe wird dabei in eine dicht verschlossene Titrierzelle eingebracht, in der sich ein alkoholisches Lösungsmittel befindet. Da sich auch in der Luft Wasser befindet, ist vor der Probenzugabe und dem Start der eigentlichen Titration noch eine sogenannte Vortitration erforderlich, bei der so lange Reagenz zudosiert wird, bis das in der Titrierzelle vorhandene Wasser reagiert hat.             

Zur Durchführung einer Wasserbestimmung mittels Karl-Fischer-Reaktion stehen dem analytischen Chemiker je nach Probe und deren erwartetem Wassergehalt drei verschiedene Techniken zur Verfügung:

1. Die volumetrische Karl-Fischer-Titration mit einem Einkomponentenreagenz

2. Die volumetrische Karl-Fischer-Titration mit einem Zweikomponentenreagenz

3. Die coulometrische Karl-Fischer-Titration 

Volumetrische Karl-Fischer-Titrationen eignen sich für Proben mit einem Wassergehalt zwischen 100 ppm und 100 % während sich die coulometrische Karl-Fischer-Titrationen für Proben mit einem Wassergehalt von 1 ppm bis 5 % eignen.

Volumetrische Karl-Fischer-Titration

Die volumetrische Karl-Fischer-Titration basiert auf einer Zugabe des erforderlichen Iods mit einer Kolbenbürette, wobei sich zwei Techniken unterscheiden lassen.

Bei der volumetrischen Karl-Fischer-Titration mit einem Einkomponentenreagenz enthält die Maßlösung neben Iod auch die Stickstoffbase und Schwefeldioxid. Die Probe wird nach der Vortitration in Methanol oder einem alternativen Alkohol gelöst und anschließend titriert, sodass sich der Wassergehalt aus dem Verbrauch an Maßlösung berechnen lässt.

Bei der volumetrischen Karl-Fischer-Titration mit einem Zweikomponentenreagenz enthält die Maßlösung dagegen nur Iod in einem Alkohol, während das Schwefeldioxid und die Stickstoffbase in der Titrierzelle vorgelegt werden.

Der weitere Ablauf entspricht dem der Titration mit einem Einkomponentenreagenz. Der Vorteil einer Bestimmung mit Zweikomponentenreagenz besteht darin, dass die Reaktion schneller abläuft, da die Stickstoffbase und das Schwefeldioxid im Überschuss vorliegen.

Coulometrische Karl-Fischer-Titration

Im Gegensatz zur volumetrischen Karl-Fischer-Titration wird bei der coulometrischen Karl-Fischer-Titration nicht mit einer Maßlösung gearbeitet, sondern das Iod wird in situ erzeugt.

Dazu befindet sich in der Titrierzelle ein Reagenz aus Schwefeldioxid, organischer Base und Iodid, die in einem Alkohol gelöst sind.

Mittels einer Platinnetzelektrode wird das Iodid schließlich zu Iod oxidiert und man misst statt der verbrauchten Maßlösung die Strommenge, über die sich mit dem Faraday-Gesetz das gebildete Iod und somit der Wassergehalt der Probe berechnen lässt.

Die Anodenreaktion und die korrespondierende Kathodenreaktion lassen sich wie folgt formulieren:

Anodenreaktion: 2 I ↔ I2 + 2 e

Kathodenreaktion: 2 H+ + 2 e → H2   

Störungen, Fehlerquellen und Nebenreaktionen bei der Karl-Fischer-Titration

Störungen bei der Karl-Fischer-Titration können zahlreiche Ursachen haben. So kann eine Substanz das enthaltene Wasser binden oder festhalten, beispielsweise schließen hydratwasserfreie Salze geringe Wassermengen im Kristallgitter ein.

Darüber hinaus können Nebenreaktionen stattfinden, in denen Wasser entsteht oder verbraucht wird. Aldehyde und Ketone reagieren mit Methanol etwa unter Bildung von Wasser zu Acetalen bzw. Ketalen:

RCHO + 2 MeOH → RCH(OMe)2 + H2O      

R2CO + 2 MeOH → R2C(OMe)2 + H2O      

Um diese Nebenreaktion zu verhindern können spezielle Reagenzien verwendet werden, in denen andere Alkohole als Methanol enthalten sind.

Außerdem kann Methanol in Gegenwart starker Säuren mit Carbonsäuren zu Estern reagieren, wodurch wiederum zusätzliches Wasser freigesetzt wird:

RCOOH + MeOH → RCO2Me + H2O      

Entsprechende Proben müssen vor der Karl-Fischer-Titration mit einer geeigneten Base neutralisiert werden. Die Präsenz von Aldehyden und Ketonen kann allerdings nicht nur zu zusätzlichem Wasser führen, sondern durch eine Bisulfitaddition auch zu einem Verbrauch von Wasser.

Da es sich bei der Karl-Fischer-Reaktion um eine Redoxreaktion handelt, kann das Iod darüber hinaus auch mit anderen Substanzen als Wasser reagieren, beispielsweise Nitrit oder Sulfit. Abhilfe schafft in solchen Fällen meist eine Gasphasenextraktion. 

Darüber hinaus sind auch Beeinflussungen des Puffersystems des Karl-Fischer-Reagenz sowie Störungen durch chemisch inerte Kohlenwasserstoffe, die die Alkoholkonzentration reduzieren, möglich.

Weiterführende Quellen

Scholz, E. (1984): Karl-Fischer-Titration – Methoden zur Wasserbestimmung, Berlin / Heidelberg / New York / Tokyo

Schöffski, K. (2000): Die Wasserbestimmung mit Karl-Fischer-Titration, in: Chemie in unserer Zeit, 34. Jg., Heft 3, S. 170-175