Potentiometrische Titration

Bei einer potentiometrischen Titration handelt es sich um ein Verfahren der Potentiometrie, mit dem quantitative Analysen durchgeführt werden können. Eine Probenlösung wird titriert und die an einer Indikatorelektrode auftretenden Potentialänderungen werden gemessen.

Ein Beispiel für eine potentiometrische Titration ist eine Fällungstitration zur Bestimmung des Chloridgehalts, die mit einer Silberelektrode als Indikatorelektrode verfolgt wird.

Elektroden für die potentiometrische Titration

Die Indikatorelektrode, oftmals auch als Messelektrode bezeichnet, wird während der Titration in die Probenlösung eingetaucht und sollte entweder selektiv auf die Ionen ansprechen, die bestimmt werden sollen, oder aber inert sein.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass das Potential einer einzelnen Elektrode nicht direkt bestimmt werden kann, sondern immer die Potentialdifferenz zwischen zwei Elektroden in einem geschlossenen Stromkreis gemessen wird.

Folglich wird eine zweite Elektrode benötigt, die als Bezugselektrode, Referenzelektrode oder Vergleichselektrode bezeichnet wird, und durch die Zugabe der Maßlösung möglichst wenig beeinflusst werden sollte.

Bei potentiometrischen Titrationen können sowohl Metallelektroden als auch ionenselektive Elektroden (ISE) als Indikatorelektrode verwendet werden.

Metallelektroden

Zur potentiometrischen Indikation von Redoxtitrationen werden üblicherweise Edelmetallelektroden (Platin, Palladium, Gold) verwendet, die hinsichtlich der ablaufenden Reaktionen inert sind.

Darüber hinaus können Metallelektroden verwendet werden, um Ionenkonzentrationen der jeweiligen Metalle zu messen. So eignet sich eine Silberelektrode für argentometrische Titrationen.

Der Nachteil von Metallelektroden, die nicht aus Edelmetallen bestehen, ist allerdings, dass Metallionen nur dann bestimmt werden können, wenn keine Ionen eines edleren Metalls in der Probenlösung vorhanden sind.

Ähnliche Standardpotentiale zweier Ionen sorgen außerdem dafür, dass das Elektrodenpotential durch beide Ionensorten beeinflusst wird und eine Störung der Indikation auftritt. Ein Ausweg kann dann darin bestehen, die störenden Ionen durch Komplexierung zu maskieren.

In der Praxis zeigt sich allerdings, dass Metallelektroden nur in wenigen Fällen spezifisch sind und eine Potentialeinstellung oftmals durch reversible Redoxpaare in der Probenlösung verhindert wird.

Darüber hinaus können auch oberflächenaktive Substanzen auf der metallischen Oberfläche zu Störungen führen.

Ionenselektive Elektroden (ISE)

Unter einer ionenselektiven Elektrode (ISE) versteht man heutzutage meistens eine Membranelektrode, in der eine Membran zwei Lösungen mit unterschiedlichen Konzentrationen der zu bestimmenden Ionenspezies trennt. Dabei ist eine Konzentration bekannt und die andere Konzentration wird gemessen.

Die austauschenden Membranen der Elektroden werden entweder aus anorganischen Einkristallen mit spezifischer Ionenleitfähigkeit, Glasmembranen oder Filterscheiben, die mit flüssigem Ionenaustauscher getränkt sind, gefertigt.

Beispiele für kristalline Membranen sind Membranen aus LaF3-Kristall und Membranen aus Silbersulfid.

Vor der Verwendung einer Elektrode mit Kristall-Membran sollte stets überlegt werden, ob die Einstellung der Lösegleichgewichte durch Substanzen in der Probenlösung beeinflusst wird.

Glaselektroden für Säure-Base-Titrationen

Eine lange bekannte ISE ist die pH-sensitive Glaselektrode, die für Säure-Base-Titrationen verwendet werden kann.

Als ionenaustauschende Membran dient bei der Glaselektrode ein Spezialglas, das zu ungefähr 72 % aus SiO2, zu ungefähr 22 % aus Na2O und zu ungefähr 6 % aus CaO besteht.

Im Innern der Glaselektrode befindet sich ein Innenpuffer mit pH-Wert 7 und es besteht ein konstantes inneres Phasengrenzpotential. Darüber hinaus existiert ein pH-abhängiges Potential, das für die pH-Messung genutzt werden kann.

Bezugselektroden für die potentiometrische Titration

Wie bereits erwähnt muss das Potential einer der beschriebenen Indikatorelektroden stets gegen eine Bezugselektrode mit konstantem Potential gemessen werden. Dabei handelt es sich immer um eine spezielle Metallelektrode.

Eine Bezugselektrode, die im Labor leicht selbst hergestellt werden kann, ist die Kalomelelektrode, für die man allerdings mit giftigem Quecksilber arbeiten muss.

Daher wird heutzutage bevorzugt die äußerst zuverlässige Silberchlorid-Elektrode verwendet.

Weitere bekannte Bezugselektroden sind die Thalamid-Elektrode und die Quecksilbersulfat-Elektrode.

Messketten für die potentiometrische Titration

Neben einer Indikatorelektrode und einer Bezugselektrode wird für einen Versuchsaufbau zur potentiometrischen Titration noch eine ionisch leitende Verbindung zwischen der Probenlösung und der Elektrolytlösung in der Bezugselektrode benötigt.

Dafür kann entweder ein Diaphragma oder ein mit Elektrolyt gefüllter Stromschlüssel verwendet werden. Das vollständige System wird als Messkette bezeichnet.

Sehr bequem ist die Verwendung eines Diaphragmas, durch das Ionen diffundieren können.

Bei potentiometrisch indizierten Säure-Base-Titrationen kommen häufig so genannte Einstabmessketten zum Einsatz, bei denen sich die Indikatorelektrode und die Bezugselektrode in einem gemeinsamen Elektrodenkörper befinden.

Durchführung potentiometrischer Titrationen

Prinzipiell erfolgt eine potentiometrische Titration, indem kleine, genau gemessene Volumina der jeweiligen Maßlösung zugesetzt und die Änderungen des Potentials gemessen werden. Dabei ist darauf zu achten, dass es einige Zeit dauern kann, bis sich das Gleichgewichtspotential einstellt.

Zur möglichst genauen Erfassung des Äquivalenzpunkts der Titration ist es außerdem empfehlenswert, in dessen Nähe kleinere, aber immer gleich große Volumina der Maßlösung zuzusetzen.

In der Routineanalytik ist es darüber hinaus manchmal üblich, auf eine konkrete Zellspannung zu titrieren, um so Zeit zu sparen. Man spricht dann von einer Endpunkttitration.

Da bei einer Endpunkttitration im Gegensatz zur Äquivalenzpunkttitration keine relative Potentialänderung beobachtet wird, ist hier eine Kalibrierung erforderlich.

Auswertung potentiometrischer Titrationen

Für die Auswertung einer potentiometrischen Titration werden die gemessenen Potentialwerte gegen das zugesetzte Volumen an Maßlösung aufgetragen, um den am Potentialsprung gelegenen Wendepunkt der Titrationskurve zu bestimmen.

In der analytischen Praxis ist es allerdings so, dass potentiometrische Titrationskurven nicht immer symmetrisch verlaufen. Außerdem liegt das Äquivalenzpotential auch nicht immer am Punkt der maximalen Steigung, wie es theoretisch zu erwarten wäre.

Des Weiteren kann das Aussehen der Titrationskurve durch verschiedene Effekte wie beispielsweise elektrochemische Effekte und Verdünnungseffekte beeinflusst werden.

Bei einer symmetrischen Gestalt der Titrationskurve stimmen das Äquivalenzpotential und der Wendepunkt der Kurve überein, wenn die an der Titration beteiligten Redoxsysteme reversibel sind.

Unter dieser Voraussetzung zeigt die 1. Ableitung der Titrationskurve an der Stelle des Äquivalenzpotentials ein Maximum und die 2. Ableitung zeigt eine Nullstelle. Die Ableitungen können für die Auswertung genutzt werden und ermöglichen eine automatisierte Titration.

Prinzipiell stehen verschiedene graphische Methoden zur Verfügung, um Äquivalenzpunkte potentiometrischer Titrationskurven zu bestimmen:

  • Das Tangenten-Verfahren, das allerdings nur bei symmetrischen Titrationskurven zu richtigen Ergebnissen führt. 
  • Das Tubbs-Verfahren für unsymmetrische Titrationskurven.
  • Das Gran-Verfahren, bei dem die Titrationskurven linearisiert werden.

Das Gran-Verfahren ist zwar recht aufwändig, bietet aber dafür auch einige Vorteile. So können beispielsweise Bromid- und Chloridionen simultan durch Argentometrie bestimmt werden, ohne dass der erste Äquivalenzpunkt wie sonst zu spät gefunden wird.

Darüber hinaus kann das Gran-Verfahren Hinweise auf Verunreinigungen liefern und ist prinzipiell bei der Titration kleiner Konzentrationen vorteilhaft.

Anwendung und Vorteile der potentiometrischen Titration

Eine potentiometrische Indikation ist prinzipiell bei Säure-Base-Titrationen, Fällungstitrationen, Redoxtitrationen sowie komplexometrischen Titrationen möglich und bietet eine Reihe von Vorteilen:

  • Es können Simultanbestimmungen mehrerer Stoffe mit einer einzigen Titration durchgeführt werden.
  • Es können Titrationen von Proben durchgeführt werden, die trübe oder stark gefärbt sind, was eine Verwendung von Farbindikatoren erschwert oder verhindert.
  • Es können Titrationen mit Maßlösungen durchgeführt werden, für die es keine geeigneten Farbindikatoren gibt.
  • Es können Mikrobestimmungen durchgeführt werden, da potentiometrische Titrationen oftmals genauer sind als die entsprechenden Titrationen mit einem Farbindikator.
  • Bei Verwendung eines Titrators können potentiometrische Titrationen automatisiert werden.

Potentiometrische Titrationen in der pharmazeutischen Analytik

Auch in der pharmazeutischen Analytik werden verschiedene Messungen mittels potentiometrischer Titration durchgeführt. Zu nennen sind hier erneut Säure-Base-Titrationen, Fällungstitrationen, Redoxtitrationen und komplexometrische Titrationen. Von Bedeutung sind insbesondere auch wasserfreie Titrationen in nichtwässrigen Lösungen.

Potentiometrische Titrationen werden im Arzneibuch unter Ziffer 2.2.20 behandelt.

Als Indikatorelektroden können gemäß Arzneibuch die Glaselektrode, metallische Silberelektroden, Quecksilberelektroden, Goldelektroden sowie Platinelektroden verwendet werden.

Es sind außerdem Anordnungen mit zwei Indikatorelektroden vorgesehen, wobei sich eine der Indikatorelektroden üblicherweise in einer über eine Salzbrücke verbundenen Referenzlösung befindet.

Bezugselektroden sind im Allgemeinen die Silber/Silberchlorid-Elektrode sowie die Kalomel- und die Quecksilbersulfatelektrode.

Sofern nicht anders angegeben, sind für Säure-Base-Titrationen gemäß Arzneibuch kombinierte Glaselektroden vorgesehen.

Weiterführende Quellen

Jander, G. / Jahr, K. F. (2017): Maßanalyse – Titrationen mit chemischen und physikalischen Indikationen, 19. Auflage, Berlin / Boston

Rücker, G. / Neugebauer, M. / Willems, G. (2013): Instrumentelle pharmazeutische Analytik, 5. Auflage, Stuttgart