Eine Fällungstitration ist eine Titration, während der die zu analysierende Substanz in eine schwer lösliche Verbindung mit einer definierten Zusammensetzung überführt wird. Alternativ wird die Fällungstitration auch als Fällungsanalyse bezeichnet.
Am Endpunkt dieser Art der Analyse ist das Fällungsmittel, das in der Maßlösung enthalten ist, in einer äquivalenten Menge zudosiert worden. Fällungstitrationen können sowohl manuell als auch mit einem Titrator durchgeführt werden.
Ein Beispiel für eine Fällungstitration ist die Bestimmung von Cyanid durch eine Titration nach Liebig.
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Anwendung von Fällungstitrationen
Da es bei vielen Fällungsreaktionen schwierig ist, den Endpunkt zuverlässig zu erkennen, die Reaktionen oftmals zu langsam ablaufen und die Stöchiometrie durch Mitfällungserscheinungen beeinflusst werden kann, werden in der analytischen Praxis nur verhältnismäßig wenige Fällungstitrationen angewendet.
Die in der Praxis relevanten Fällungstitrationen beruhen im Wesentlichen auf der Schwerlöslichkeit von Silberthiocyanat und den Silberhalogeniden. Im Einzelnen handelt es sich um Methoden zur Silberbestimmung und Methoden der Argentometrie, etwa die Titration nach Volhard, die Titration nach Mohr und die Titration nach Fajans.
Grundlagen der Fällungstitration
Wenn eine Fällung stattgefunden hat, besteht ein Gleichgewicht zwischen der gesättigten Lösung der schwer löslichen Verbindung und dem jeweiligen Niederschlag, wobei die Konzentration der Lösung als Sättigungskonzentration bezeichnet wird und temperaturabhängig ist.
Bei den während Fällungstitrationen entstehenden schwer löslichen Verbindungen handelt es sich in der Regel um Salze, die aus Kationen und Anionen aufgebaut sind.
Für die Argentometrie gilt das folgende Gleichgewicht:
Ag+ + X– ↔ AgXfest
X = Cl, Br, I
Dieses dynamische Gleichgewicht liegt zwar weit auf der rechten Seite, es löst sich aber trotzdem etwas festes Silberhalogenid in Wasser. Im Gegensatz zu Chlorid, Bromid und Iodid lässt sich Fluorid argentometrisch nicht bestimmen, da Silber(I)-fluorid in Wasser gut löslich ist.
Grundsätzlich beginnt die Abscheidung eines Niederschlags, sobald das jeweilige Löslichkeitsprodukt überschritten wird. Außerdem lässt sich die Löslichkeit einer schwer löslichen Verbindung, also ihre Sättigungskonzentration in reinem Wasser, durch überschüssiges Fällungsmittel weiter reduzieren.
Am Äquivalenzpunkt erreicht die Löslichkeit ein Maximum.
Von dieser Regel ausgenommen sind Situationen, in denen der Niederschlag mit zugegebenem Reagenz eine lösliche Komplexverbindung bildet.
Für alle direkten Fällungstitrationen ergibt sich eine gemeinsame Fehlerquelle, nämlich, dass es keine absolut unlöslichen Verbindungen gibt und dass die Löslichkeit des Niederschlags gerade am Äquivalenzpunkt ein Maximum erreicht.
Titrationskurven von Fällungstitrationen
Analog zu einer Säure-Base-Titration, bei der der pH-Wert gegen den Titrationsgrad τ aufgetragen wird, sind Titrationskurven von Fällungstitrationen Auftragungen des Ionenexponenten pIon gegen den Titrationsgrad τ. Der Ionenexponent ist der negative dekadische Logarithmus der jeweiligen Ionenkonzentration.
Prinzipiell ist eine Fällungstitration umso genauer, je kleiner das Löslichkeitsprodukt der ausgefällten Verbindung ist. Darüber hinaus muss die Anfangskonzentration der zu analysierenden Ionen ausreichend groß sein.
Die größte Schwierigkeit von Fällungstitrationen besteht in der Regel in der praktischen Erkennung des Endpunkts, der so nah wie möglich am Wendepunkt der Titrationskurve liegen sollte.
Endpunktbestimmung bei Fällungstitrationen
Klassisch basiert die Erkennung des Endpunkts von Fällungstitrationen darauf, dass bei einer weiteren Zugabe von Maßlösung keine Trübung mehr auftritt und der sogenannte Klarpunkt erreicht wird.
Diese Methode ist allerdings umständlich, erfordert viel Zeit und kann zu falschen Ergebnissen führen, wenn der Niederschlag sich nicht schnell genug absetzt.
Statt durch das Ende der Niederschlagsbildung kann das Erreichen des Endpunkts auch durch das Auftreten eines Niederschlags angezeigt werden, beispielsweise bei der Cyanidbestimmung durch Titration mit Silbernitratlösung.
Darüber hinaus können zur Endpunktbestimmung Indikatoren verwendet werden, die eine Veränderung der Farbe der Lösung bewirken. Entweder weil der Indikator mit den während der Titration umgesetzten Ionen eine lösliche, farbige Verbindung bildet, die am Äquivalenzpunkt verschwindet, oder weil er umgekehrt mit den zutitrierten Ionen eine entsprechende Verbindung bildet, die am Äquivalenzpunkt entsteht. Ein Beispiel ist die Verwendung von Eisen(III)-Ionen bei der Silberbestimmung durch Titration mit Kaliumthiocyanatlösung.
Eine weitere Methode zur Erkennung des Endpunkts basiert auf Indikatoren, die mit den Ionen aus der Maßlösung zu einem farbigen und schwer löslichen Niederschlag reagieren, sobald ein geringer Fällungsmittelüberschuss vorliegt. Diese Methode wird beispielsweise bei der Bestimmung von Halogenidionen durch eine Titration nach Mohr genutzt.
In der Argentometrie können außerdem Adsorptionsindikatoren wie Eosin und Fluorescein verwendet werden. Adsorptionsindikatoren eignen sich allerdings nur dann für eine Fällungstitration, wenn sie erst sehr nah am Äquivalenzpunkt stark adsorbiert werden und nicht schon deutlich vor dem Endpunkt eine Färbung des Niederschlags verursachen.
Alternativ können Fällungstitrationen auch in Form einer potentiometrischen Titration durchgeführt werden, für die bei Bedarf ein Titrator verwendet werden kann.
Bestimmungen mittels Fällungstitration
In der Praxis relevante Analysen mittels Fällungstitrationen sind Methoden zur Silberbestimmung und die Argentometrie. Dazu zählen die folgenden Titrationen:
Außerdem beruht auch die Cyanidbestimmung nach Liebig auf einer Fällungstitration.
Bei dieser Bestimmung erfolgt die Niederschlagsbildung erst am Titrationsende, also beim knappen Überschreiten des Äquivalenzpunkts.
Wenn eine schwach alkalische Lösung (pH < 13) eines Alkalimetallcyanids mit Silbernitratlösung titriert wird, kann beim Eintropfen zunächst ein weißer Silbercyanidniederschlag beobachtet werden.
Dieser Niederschlag verschwindet aber sofort wieder, da das Silbercyanid mit den im Überschuss vorhandenen Cyanidionen den Dicyanoargentat(I)-Komplex bildet, der in Wasser gut löslich ist:
AgCN + CN– ↔ [Ag(CN)2]–
Sobald allerdings alle Cyanidionen entsprechend gebunden worden sind, tritt durch den nächsten Tropfen Silbernitratlösung eine dauerhafte Trübung durch ausfallendes Silbercyanid auf, die den Titrationsendpunkt anzeigt:
[Ag(CN)2]– + Ag+ ↔ 2 AgCN ↓Die zu titrierende Lösung muss frei von Ammoniumsalzen sein, da Ammoniak ein Ausfällen von Silbercyanid verhindert. Die Präsenz von Chlorid-, Bromid-, Iodid- und Thiocyanationen ist dagegen unproblematisch.