Die Iodometrie umfasst Methoden der Redoxtitration, die entweder auf der oxidierenden Wirkung von Iod oder auf der reduzierenden Wirkung von Iodidionen basieren. Diese Titrationen werden auch iodometrische Titrationen genannt.
Von besonderer Bedeutung ist heutzutage die iodometrische Wasserbestimmung mittels Karl-Fischer-Titration.
Inhaltsverzeichnis
Grundlagen der Iodometrie
Die Iodometrie beruht auf der folgenden, vollständig umkehrbaren Umwandlung:
I2 + 2 e– ↔ 2 I–
Daraus ergeben sich zwei verschiedene Anwendungsmöglichkeiten:
- Bei der Verwendung einer Iodidlösung als Maßlösung können Reduktionsmittel wie beispielsweise Sulfid-Ionen direkt bestimmt werden:
S2- + I2 ↔ 2 I– + S
- Durch die Zugabe eines Überschusses an angesäuerter Kaliumiodidlösung können Oxidationsmittel wie beispielsweise Fe(III)-Ionen reduziert werden:
2 Fe3+ + 2 I– ↔ I2 + 2 Fe2+
Durch Titration mit einem Reduktionsmittel wie Natriumsulfit, arseniger Säure oder Natriumthiosulfat kann anschließend das entstandene Iod quantifiziert werden.
Wenn als Maßlösung Natriumthiosulfatlösung verwendet wird, wird das Thiosulfat im neutralen bis schwach sauren Milieu nach der folgenden Reaktionsgleichung zum Tetrathionat oxidiert:
2 S2O32- + I2 → S4O62- + 2 I–
Diese Reaktionsgleichung gilt nur bei neutralen oder schwach sauren pH-Werten. In alkalischen Iodlösungen erfolgt teilweise eine Oxidation bis zum Sulfat:
S2O32- + 4 I2 + 10 OH– → 2 SO42- + 8 I– + 5 H2O
Wenn Iod mit Thiosulfat titriert wird, gibt es je nach Konzentration der Iodlösungen Minimalwerte der Wasserstoffionenkonzentration, die auf keinen Fall unterschritten werden dürfen.
Außerdem dürfen keine Salze vorhanden sein, deren Lösungen alkalisch reagieren.
Wenn stattdessen Thiosulfat mit Iod titriert wird, sind geringe Konzentrationen an Hydroxidionen dagegen unproblematisch.
Endpunkterkennung bei der Iodometrie
Grundsätzlich zeichnet sich der Endpunkt iodometrischer Titrationen dadurch aus, dass Iod entweder auftritt oder verschwindet.
Iodlösungen sind zwar auch stark verdünnt noch deutlich sichtbar gelb gefärbt, allerdings kann die Erkennung des Endpunkts erleichtert werden, wenn als Indikator eine Stärkelösung zugesetzt wird.
Die Verbindung von Iod mit Stärke ist tiefblau gefärbt, die Empfindlichkeit der Reaktion setzt jedoch die Präsenz von Iodidionen voraus
Herstellung von Stärkelösung
Zur Herstellung der Stärkelösung werden 3 g lösliche Stärke in einer Reibschale mit wenig kaltem Wasser zu einem Brei mit gleichmäßiger Konsistenz verrieben.
Dieser Brei wird zu 600 mL kochendem Wasser gegeben, das nach der Zugabe für einige Minuten weiter gekocht wird.
Nach dem Abkühlen in einem schmalen Gefäß und dem Absetzen ungelöster Anteile wird die klare Lösung abgegossen.
Abschließend werden der Lösung einige mL Quecksilber(II)-iodidlösung zugesetzt, damit sie nicht von Pilzen oder Bakterien befallen wird.
Herstellung von Natriumthiosulfatlösung
Für die Herstellung von Natriumthiosulfatlösung ist es wichtig, Natriumthiosulfat zu verwenden, das keine Verunreinigungen durch Carbonat, Chlorid, Sulfat, Sulfit, Sulfid und elementaren Schwefel enthält.
Eine Reinigung kann durch mehrfaches Umkristallisieren und das Trocknen über Calciumchlorid erfolgen, allerdings sind Thiosulfatlösungen in den ersten Wochen in der Regel trotzdem nicht titerbeständig.
Zur Herstellung einer 0,1 molaren Lösung werden 25 g reinstes Thiosulfat eingewogen und in einem Liter Wasser gelöst. Das dafür verwendete Wasser sollte ausgekocht und doppelt destilliert sein.
Nach einer Woche wird dann der Titer der lichtgeschützt aufbewahrten Lösung ermittelt.
Einstellung von Natriumthiosulfatlösung für die Iodometrie
Zur Bestimmung des Titers der Natriumthiosulfatlösung können Iod, Kaliumiodat, Kaliumdichromat oder eine eingestellte Kaliumpermanganatlösung verwendet werden.
Bei der Einstellung mit Iod sollte zunächst eine Reinigung und Trocknung des Iods durch doppelte Sublimation erfolgen. Daraufhin kann eine genau abgewogene Menge Iod in Kaliumiodidlösung gelöst und die Titration mit der einzustellenden Natriumthiosulfatlösung durchgeführt werden.
Iodat wird in saurem Milieu durch einen Überschuss an Iodid nach der folgenden Reaktionsgleichung reduziert:
IO3– + 5 I– + 6 H+ → 3 I2 + 3 H2O
Die Einstellung mit Kaliumdichromat basiert auf der Reduktion des Dichromats mit konzentrierter Salzsäure:
Cr2O72- + 6 Cl– + 14 H+ → 2 Cr3+ + 7 H2O + 3 Cl2
Das dabei freigesetzte Chlor kann in überschüssiger Kaliumiodidlösung aufgefangen werden, wobei wiederum das zu titrierenden Iod entsteht:
Cl2 + 2 I– ↔ I2 + 2 Cl–
Alternative Methoden erfordern keine Destillation des Chlors.
Bei der Einstellung mit Kaliumpermanganatlösung wird das mit der Natriumthiosulfatlösung zu titrierende Iod gemäß der folgenden Reaktionsgleichung gebildet:
2 MnO4– + 10 I– + 16 H+ → 2 Mn2+ + 5 I2 + 8 H2O
Herstellung von Iodlösung
Zur Herstellung einer ungefähr 0,1 molaren Iodlösung werden 20 bis 25 g reines iodatfreies Kaliumiodid in einem 1-L-Kolben in ca. 40 mL Wasser gelöst und es werden weitere 12,7 bis 12,8 g Iod zugesetzt. Nachdem sich das gesamt Iod gelöst hat, wird bis zur 1-L-Marke mit Wasser aufgefüllt.
Die Iodlösung kann dann mit einer eingestellten Natriumthiosulfatlösung oder arseniger Säure eingestellt werden.
Iodometrische Titration von Sulfiden
Prinzipiell basiert die iodometrische Bestimmung von Sulfiden auf der folgenden Reaktion:
S2- + I2 → 2 I– + S
H2S-Wasser wird in der Regel allerdings umgekehrt titriert, da die Ergebnisse einer direkten Titration schwankend und zu niedrig sind.
Nach dem Einlaufen eines definierten Volumens H2S-Wasser in eine überschüssige Iodidlösung wird mit Natriumthiosulfatlösung zurücktitriert.
Analog werden auch Lösungen von Alkalimetallsulfiden titriert. Aufgrund der häufigen Verunreinigung durch Alkalimetallhydroxide sollte die überschüssige Iodlösung hier allerdings mit etwas Essigsäure versetzt werden.
Iodometrische Titration von Sulfiten
Auch die direkte Titration von Sulfiten führt zu fehlerhaften Ergebnissen.
Stattdessen muss ein definiertes Volumen der Sulfitlösung in überschüssige Iodlösung gegeben und nicht umgesetztes Iod mit Natriumthiosulfatlösung zurücktitriert werden.
Diese Bestimmung basiert auf der folgenden Reaktion:
SO32- + I2 + H2O → SO42- + 2H+ + 2I–
Iodometrische Titration von Hydrazin
In einer mit Hydrogencarbonat versetzten Lösung werden Hydrazinhydrat und dessen Salze nach der folgenden Reaktionsgleichung quantitativ oxidiert:
N2H4 + 2 I2 → N2 + 4 I– + 4 H+
Iodometrische Titration von Arsen und Antimon
Arsen(III)-oxid reagiert mit Iod gemäß der folgenden Reaktionsgleichung:
AsO33- + H2O + I2 ↔ AsO43- + 2 H+ + 2 I–
Durch die Arbeit in hydrogencarbonathaltiger Lösung wird sichergestellt, dass das Iod quantitativ reduziert wird:
I2 + AsO33- + 2 HCO3– → 2 I– + AsO43- + 2 CO2 + H2O
Auch Antimon(III)-oxid wird in hydrogencarbonathaltiger Lösung bestimmt:
SbO2– + I2 + 4 H2O → 2 I– + 2 H+ + Sb(OH)6–
Iodometrische Titration von Zinn
Die iodometrische Titration von Zinn kann gemäß den folgenden Reaktionsgleichungen sowohl in hydrogencarbonathaltiger als auch in saurer Lösung erfolgen:
[Sn(OH)3]– + I2 + 3 H2O → [Sn(OH)6]2- + 2 I– + 3 H+Sn2+ + I2 → 2 I– + Sn4+
In sauren Lösungen wird üblicherweise mit einer überschüssigen Iodlösung gearbeitet, bevor mit Natriumthiosulfatlösung zurücktitriert wird.
Zur Erzeugung einer Kohlenstoffdioxidatmosphäre wird außerdem etwas Marmor in die Probenlösung geworfen.
Iodometrische Titration von Quecksilber
Bei der iodometrischen Bestimmung von Quecksilber(I)-Salzen wird mit einem Überschuss an Iodlösung gearbeitet.
Wenn gleichzeitig ein Überschuss an Kaliumiodid vorhanden ist, bildet sich die Komplexverbindung K2[HgI4]:
Hg2Cl2 + I2 + 6 I– → 2 [HgI4]2- + 2 Cl–
Der Iodüberschuss wird anschließend mit Natriumthiosulfatlösung zurücktitriert.
Die iodometrische Titration von Quecksilber(II)-Salzen basiert auf der Reduktion zu metallischem Quecksilber. Dazu kann beispielsweise Formaldehyd verwendet werden. Zuvor werden die Quecksilber(II)-Ionen in Tetraiodomercurat(II) überführt:
Hg2+ + 4 I– ↔ [HgI4]2-
[HgI4]2- + HCHO + 3 OH– → Hg + 4 I– + (HCOO)– + 2 H2ODaraufhin kann das Quecksilber analog zu den Quecksilber(I)-Salzen oxidiert und der Iodüberschuss mit Natriumthiosulfatlösung zurücktitriert werden:
Hg + I2 + 2 I– → [HgI4]2-
Iodometrische Titration von Iodid
Zur Bestimmung der Iodidionen werden diese nach der folgenden Reaktionsgleichung durch Eisen(III)-sulfat oxididert:
2 I– + 2 Fe3+ → I2 + 2 Fe2+
Nach einer Überdestillation des ausgeschiedenen Iods in überschüssige Kaliumiodidlösung erfolgt eine Titration mit Natriumthiosulfatlösung.
Iodometrische Titration von Hypochlorit
Hypochlorit reagiert in sauren Lösungen unter Bildung von Iod:
ClO– + 2 I– + 2 H+ → Cl– + I2+ H2O
In einer durch Zusatz von Salz- oder Schwefelsäure stark sauren Lösung wird Chlorit quantitativ mitbestimmt:
ClO2– + 4 I– + 4 H+ → Cl– + 2 I2 + 2 H2O
In der Regel werden Hypochlorit und Chlorit als gemeinsamer Parameter erfasst.
Das jeweils freigesetzte Iod wird durch Natriumthiosulfatlösung titriert.
Iodometrische Titration von Chlorat, Bromat, Iodat und Periodat
Zur iodometrischen Bestimmung können Chlorate mit Kaliumbromid in einer stark salzsauren Lösung zu Brom reduziert werden:
ClO3– + 6 H+ + 6 Br– → 3 Br2 + Cl– + 3 H2O
Nach Zugabe von Kaliumiodidlösung ergibt sich dann eine äquivalente Menge Iod, die mit Natriumthiosulfatlösung titriert werden kann.
Nach der Reduktion mit salpetriger Säure ist für die Bestimmung von Bromaten eigentlich die Argentometrie vorzuziehen, es kann bei hohen Salzsäurekonzentrationen aber auch eine iodometrische Bestimmung vorgenommen werden.
Iodate lassen sich aufgrund der folgenden schnell ablaufenden Reaktion sehr gut iodometrisch bestimmen:
IO3– + 5 I– + 6 H+ → 3 I2 + 3 H2O
Ähnliches gilt für Periodate, die in saurem Milieu wie folgt reagieren:
IO4– + 7 I– + 8 H+ → 4 I2 + 4 H2O
Iodometrische Titration von Wasserstoffperoxid
Für eine iodometrische Bestimmung kann Wasserstoffperoxid in sauren Lösungen nach der folgenden Gleichung mit Kaliumiodid umgesetzt werden:
H2O2 + 2 I– + 2 H+ → I2 + 2 H2O
Das Iod kann dann mit Natriumthiosulfatlösung titriert werden.
Bestimmung der Peroxidzahl
Die Peroxidzahl POZ bietet eine Möglichkeit, den Zersetzungsstand fetthaltiger Lebensmittel und Arzneimittel zu beurteilen.
Dazu wird die Probensubstanz gelöst und nach Zugabe einer gesättigten Kaliumiodidlösung mit Natriumthiosulfatlösung titriert.
Die Peroxidzahl lässt sich daraufhin wie folgt berechnen:
POZ = (10(V1-V2)) / mE
V1: verbrauchte Maßlösung (in mL)
V2: bei einem Blindversuch verbrauchte Maßlösung (in mL)
mE: Einwaage (in g)
Bestimmung höherer Oxide
Zahlreiche Stoffe mit zwei verschiedenen Oxidationsstufen können mit einem von Bunsen eingeführten Destillationsverfahren bestimmt werden.
In diesem Verfahren werden konzentrierte Hydrogenhalogenidlösungen mit höheren Oxiden wie beispielsweise Bleioxid umgesetzt, wobei das jeweilige Halogen freigesetzt wird:
PbO2 + 4 HCl → PbCl2 + 2 H2O + Cl2↑
Dieses kann mittels einer geeigneten Apparatur abdestilliert und in einer gekühlten, überschüssigen Kaliumiodidlösung aufgefangen werden.
Das entstehende Iod kann dann mit Natriumthiosulfatlösung titriert werden:
Cl2 + 2 I– → I2 + 2 Cl–
Die Bunsen-Methode eignet sich unter anderem für MnO2, PbO2, K2SeO4, K2TeO4, KClO3, V2O5 und CeO2.
Iodometrische Titration von Kupfer
Kupfer(II)-Salze können iodometrisch bestimmt werden, indem man sich die folgende Gleichgewichtsreaktion zu Nutze macht:
2 Cu2+ + 4 I– ↔ 2 CuI↓ + I2
Da das sich bildende Kupferiodid schwer löslich ist und das Iod durch die Natriumthiosulfatmaßlösung permanent entfernt wird, lässt sich die Reaktion auf die rechte Seite verschieben.
Für einen nahezu vollständigen Verlauf ist allerdings ein großer Überschuss an Kaliumiodid erforderlich.
Außerdem muss in schwach schwefelsaurer Lösung titriert werden.
Winkler-Titration zur iodometrischen Bestimmung des Sauerstoffgehaltes in Wasser
Die Winkler-Titration ermöglicht eine iodometrische Bestimmung des Sauerstoffgehalts von Wasserproben.
Bei diesem Verfahren wird Mangan(II) in alkalischer Lösung gemäß der folgenden Reaktionsgleichung zu Mangan(IV)-oxihydrat umgesetzt:
2 Mn(OH)2 + O2 → 2 MnO(OH)2↓
Aus diesem Niederschlag werden Mangan(III)-Ionen freigesetzt, die sich mit Iodid umsetzen lassen:
2 Mn3+ + 2 I– → 2 Mn2+ + I2
Das freigesetzte Iod kann dann mit Natriumthiosulfatlösung titriert werden.
Bestimmung der Iodzahl
Die Iodzahl gibt an, wieviel Gramm Iod von 100 g Fett gebunden werden können. Je mehr ungesättigte Fettsäuren ein Molekül enthält, desto größer ist die Iodzahl.
Zur iodometrischen Bestimmung der Iodzahl können verschiedene Verfahren genutzt werden, bei denen stets Halogenatome an die ungesättigten Bindungen addiert werden.
Mögliche Reagenzien sind elementares Brom, Iodmonobromid oder Iodmonochlorid.
Sobald die Reaktion eines dieser Reagenzien mit der Probe stattgefunden hat, kann ein Überschuss Kaliumiodid zugesetzt und mit Natriumthiosulfatlösung zurücktitriert werden.