Eine Redoxtitration ist eine Titration, die auf einer Redoxreaktion, also einer Übertragung von Elektronen, beruht. Gelegentlich wird die Redoxtitration auch als Oxidimetrie bezeichnet oder man spricht von einer Redoxanalyse.
Ein Beispiel für eine Redoxtitration ist die Karl-Fischer-Titration zur Bestimmung des Wassergehalts einer Probe.
Inhaltsverzeichnis
Grundlagen der Redoxtitration
Zum besseren Verständnis der verschiedenen Methoden der Redoxtitration ist es hilfreich, sich zunächst mit den Begriffen Redoxreaktion, Oxidationszahlen sowie Redoxpotential vertraut zu machen.
Redoxreaktionen
Wie bereits erwähnt beruht jede Redoxtitration auf einer Redoxreaktion, also einer Kombination aus einer Oxidation und einer Reduktion. Die Bedeutung der Begriffe Oxidation und Reduktion hat sich im Laufe der Zeit stark gewandelt, ihre heute gültigen Definitionen basieren auf der Elektronentheorie, die 1916 erstmals von Kossel und Lewis formuliert wurde. Oxidations- und Reduktionsreaktionen sind demnach Übertragungen von Elektronen.
Bei einer Oxidation werden Elektronen abgegeben, zum Beispiel: Fe2+ → Fe3+ + e–
Bei einer Reduktion werden dagegen Elektronen aufgenommen, zum Beispiel: Fe3+ + e– → Fe2+
Wenn ein Stoff wie das gerade genannte Eisen in zwei Formen vorkommt, die bis auf die Elektronenanzahl identisch sind, dann gehören diese Formen zu einem korrespondierenden Redoxpaar, auch Redoxsystem genannt.
Die oxidierte Form Aox kann in einer Reduktion Elektronen aufnehmen und in die reduzierte Form Ared übergehen, umgekehrt kann die reduzierte Form Elektronen in einer Oxidation an die oxidierte Form abgeben:
Aox + z e– ↔ Ared
Der Quotient z gibt hier die Anzahl der Elektronen an, die am Redoxvorgang beteiligt sind.
Da unter den normalen Bedingungen einer chemischen Reaktion keine freien Elektronen auftreten, muss eine Oxidation immer mit einer Reduktion einhergehen. Man spricht daher von einer Redoxreaktion.
An einer Redoxreaktion sind stets zwei korrespondierende Redoxpaare beteiligt:
Ared + Box ↔ Aox + Bred
Da die Teilchen Ared reduzierend wirken und Elektronen an die Teilchen Box abgeben, werden sie als Reduktionsmittel bezeichnet. Umgekehrt oxidieren die Teilchen Box die Teilchen Ared und werden folglich Oxidationsmittel genannt.
Darüber hinaus gibt es noch sogenannte redoxamphotere Stoffe, die sowohl als Oxidationsmittel als auch als Reduktionsmittel wirken können. Ein Beispiel sind Eisen(II)-Ionen, die sowohl zu Eisen(III)-Ionen als auch zu elementarem Eisen reagieren können.
Oxidationszahlen
Da Redoxvorgänge nicht nur zwischen Ionen stattfinden, kann es hilfreich sein, Oxidationszahlen zu verwenden, um Übertragungen von Elektronen zu erkennen.
Die Oxidationszahl eines Elementatoms ist die Ladung, die das Atom theoretisch hätte, wenn alle seine Bindungselektronen dem Bindungspartner mit der jeweils höheren Elektronegativität zugeschlagen würden. Oxidationszahlen werden durch römische Ziffern angegeben, wobei negative Oxidationszahlen durch ein Minuszeichen vor der Ziffer gekennzeichnet sind, beispielsweise CIVO2-II.
Bei ungeladenen Molekülen ist die algebraische Summe aller Oxidationszahlen gleich null, bei Molekülionen entspricht sie der Ionenladung.
Grundsätzlich können bei der Bestimmung von Oxidationszahlen die folgenden drei Regeln angewendet werden:
- In Elementen haben die Atome stets die Oxidationszahl null, dies gilt sowohl für Moleküle als auch für elementare Metalle.
- Bei Atomionen entsprechen die Oxidationszahlen den Ionenladungen.
- Bei aus mehreren Elementen bestehenden Molekülen und Molekülionen entspricht die Oxidationszahl eines Atoms der formalen Ladung, die das Atom hätte, wenn das zugrundeliegende Molekül komplett aus Atomionen aufgebaut wäre.
Auf Basis der Oxidationszahlen kann der Begriff Redoxreaktion neu definiert werden. Eine Redoxreaktion liegt demnach immer dann vor, wenn sich während einer chemischen Reaktion irgendeine Oxidationszahl eines beteiligten Elements ändert.
Eine Oxidation liegt vor, wenn sich die Oxidationszahl eines Elements erhöht, wohingegen eine Reduktion sich dadurch auszeichnet, dass sich die Oxidationszahl verringert.
Redoxpotential
Inwieweit ein Stoff als Oxidationsmittel beziehungsweise Reduktionsmittel wirkt, wird hauptsächlich durch seine Elektronenaffinität bestimmt.
Einen Maßstab, um die Bindungsfestigkeit der Valenzelektronen zu beurteilen, bietet die nachfolgend aufgeführte elektrochemische Spannungsreihe, für die die Standardpotentiale E° bei 20 °C gegen die Standardwasserstoffelektrode gemessen wurden.
Redoxsystem | E° in V |
Li+ + e– ↔ Li | -2,96 |
Ca2+ + 2 e– ↔ Ca | -2,76 |
Mg2+ + 2 e– ↔ Mg | -2,38 |
Al3+ + 3 e– ↔ Al | -1,67 |
Mn2+ + 2 e– ↔ Mn | -1,18 |
Zn2+ + 2 e– ↔ Zn | -0,76 |
Fe2+ + 2 e– ↔ Fe | -0,45 |
Co2+ + 2 e– ↔ Co | -0,28 |
Pb2+ + 2 e– ↔ Pb | -0,13 |
2 H+ + 2 e– ↔ H2 | 0,00 |
Cu2+ + 2 e– ↔ Cu | +0,35 |
Ag+ + e– ↔ Ag | +0,80 |
Hg2+ + 2 e– ↔ Hg | +0,85 |
Au3+ + 3 e– ↔ Au | +1,42 |
In dieser Reihe werden die metallischen Elemente mit aufsteigenden Einzelpotentialen geordnet. Während Lithium von den angeführten Metallen am leichtesten Valenzelektronen abgibt, gibt Gold sie am schwersten ab.
Analog zu den Elementen lassen sich auch für alle anderen Oxidations- und Reduktionsmittel Einzelpotentiale also Redoxpotentiale bestimmen.
Prinzipiell lässt sich das Oxidationsvermögen oder Reduktionsvermögen eines jeden Oxidationsmittels beziehungsweise Reduktionsmittels durch ein elektrisches Potential zahlenmäßig ausdrücken. Dazu wird eine unangreifbare Elektrode in eine Lösung des Oxidations-/Reduktionsmittels eingetaucht und das Potential gegen die Standardwasserstoffelektrode gemessen.
Es ist festzuhalten, dass kein Stoff von vornherein Oxidationsmittel oder Reduktionsmittel ist, stattdessen muss stets der Reaktionspartner betrachtet werden. Außerdem kommt es auch auf die Temperatur und die Konzentrationen an und es stellen sich oftmals Redoxgleichgewichte ein.
Bestimmungen mittels Redoxtitration
Häufige Bestimmungen mittels Redoxtitration sind die folgenden Methoden:
Eine in der analytischen Praxis besonders relevante Redoxtitration ist die Karl-Fischer-Titration zur Bestimmung des Wassergehalts einer Probe.
Darüber hinaus können auch diverse andere Reagenzien für Redoxtitrationen verwendet werden, beispielsweise die Oxidationsmittel Kaliumiodat und Kaliumperiodat sowie die Reduktionsmittel Zinn(II)-chlorid und Chrom(II)-sulfat.
Außerdem basieren auch die Manganbestimmung in Stahl und Bestimmungen mit Natriumformiatlösung auf einer Redoxtitration.
Manganbestimmung in Stahl
Um Mangan in Stahlproben zu bestimmen, müssen die Proben in halbkonzentrierter Salpetersäure gelöst werden. Dabei entstehen Mangan(II)-Ionen, die mit Peroxodisulfat bei hohen Temperaturen zum Permangangat oxidiert werden:
2 Mn2+ + 5 S2O82- + 8 H2O → 2 MnO4– + 10 SO4– + 16 H+
Zuvor werden die Stickoxide unter Verwendung von Silberionen als Katalysator verkocht. Nach dem Abkühlen auf Raumtemperatur werden die Silberionen dann mit Natriumchlorid ausgefällt, damit sie das Ergebnis der Titration nicht verfälschen.
Anschließend erfolgt die Titration mit Natriumarsenitlösung als Maßlösung bis die rosa Farbe verschwindet:
2 MnO4– + 5 H3AsO3 + 6 H+ → 2 Mn2+ + 5 H3AsO4 + 3 H2O
Im Stahl ebenfalls enthaltenes Chrom wird mit diesem Verfahren in der Regel nicht miterfasst.
Bestimmungen mit Natriumformiatlösung
Analyte wie Phosphit oder Hypophosphit lassen sich durch Manganometrie im Sauren nicht bestimmen, können jedoch im basischen Bereich in einer definierten Redoxreaktion mit Permanganat umgesetzt werden. Dabei wird das Permanganat zu Manganat reduziert:
MnO4– + e– → MnO42-
Die weitere Reduktion des Manganats zu Mangandioxid läuft erheblich langsamer ab:
MnO42- + 4 H+ + 2 e– → MnO2 + 2 H2O
Um ein geeignetes, auf der Reduktion von Permanganat zu Manganat basierendes Analyseverfahren zu erhalten, ist es erforderlich, die zweite Reaktion weitestgehend zu unterbinden.
Im letzten Schritt dieses Verfahrens erfolgt eine Rücktitration der überschüssigen Stoffmenge Permanganat mit Natriumformiatlösung als Maßlösung. Diese Titration erfolgt im basischen Milieu, alternativ kann auch im sauren Milieu mit Oxalsäure titriert werden.
Wenn das Permanganat mit Formiat titriert wird, läuft folgende definierte Reaktion ab:
2 MnO4– + HCOO– + 3 OH– → 2 MnO42- + CO32- + 2 H2O
Am Äquivalenzpunkt der Reaktion verschwindet die violette Farbe des Permanganats.
Vor der Titration muss außerdem Sulfat ausgefällt werden, da es ansonsten die Reaktion stört.
Um eine Übertitration zu vermeiden, kann kurz vor dem Endpunkt etwas Nickelnitrat zugegeben werden, das als Katalysator wirkt.
Redoxtitrationen in der pharmazeutischen Analytik
Redoxtitrationen sind außerdem auch in der pharmazeutischen Analytik relevant, wo sie in Form potentiometrischer Titrationen durchgeführt werden.
Beispiele für potentiometrische Indizierungen von Redoxtitrationen im Arzneibuch sind die folgenden Monographien:
- Calciumdobesilat
- Etamsylat
- Hydralazinhydrochlorid
- Captopril